Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht…

So oder so ähnlich hat es sich der EU-Verordnungsgeber wohl gedacht.

Die gesetzliche Regelung nach der EU-Öko-Verordnung

Grundsätzlich gilt für den Bio-Anbau von Pflanzen, dass diese im „bodengebundenen Pflanzenanbau“ angebaut werden müssen. Dies ist in der EU-Öko-Verordnung definiert:

Produktion in lebendem Boden oder in Boden, der gemischt und/oder gedüngt ist mit Materialien und Produkten, die in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen sind, in Verbindung mit Unterboden und Grundgestein;

Anhang II Nr. 1.1 VO 2018/848

Also müssen Kräuter grundsätzlich auf dem Boden angebaut werden und nicht z.B. in Töpfen oder Schalen. Nun kennt jeder die Bio-Kräutertöpfe aus dem Supermarkt, die es nach diesem Grundsatz eigentlich nicht geben dürfte.

Dafür gibt es nämlich eine extra Sondervorschrift für Kräuter und Zierpflanzen, sowie für Sämlinge und Setzlinge für den:

a) Anbau von Pflanzen für die Produktion von Zierpflanzen und Kräutern in Töpfen, die dem Endverbraucher in den Töpfen verkauft werden;
b) Anbau von Sämlingen oder Setzlingen in Behältnissen für weitere Umpflanzung.

Anhang II Nr. 1.4 VO 2018/848

Soweit so gut, Bio-Topfkräuter sind also erlaubt.

Die Verwirrung folgt später

Der Teufel steckt im Detail. Wie sieht es aus, wenn ein Bio-Restaurant einen Bio-Kräutertopf kauft und die Kräuter für einen Bio-Salat erntet?

Lösung: Der Bio-Salat ist nicht mehr bio und auf die Herkunft der Kräuter aus Bio-Anbau darf ebenfalls nicht mehr hingewiesen werden.

Dies liegt daran, dass die Töpfe nur solange bio sind, bis sie dem Endverbraucher im Topf verkauft werden. Der Endverbraucher ist nämlich für den Lebensmittelbereich in einer anderen EU-Verordnung wie folgt definiert:

„Endverbraucher“ den letzten Verbraucher eines Lebensmittels, der das Lebensmittel nicht im Rahmen der Tätigkeit eines Lebensmittelunternehmens verwendet.

Art. 3 Nr. 18 VO 178/2002

Leider ist der Restaurantbetreiber also nicht Endverbraucher und mit dem Ernten der Kräuter verlieren sie ihren Bio-Status. Folglich ist auch die Kennzeichnung des Gerichts als Bio unzulässig und der Hinweis auf die Bio-Herkunft der Kräuter ebenfalls (vergleiche zu einem ähnlichen Problem meinen älteren Blogartikel zum Bio-Kaffee in „normalen“ Restaurants).

Auch der Anbauer hat ein Problem. Er hat nämlich nicht die Möglichkeit, eine Überproduktion als Bio-Schnittkräuter zu verkaufen oder als Rohstoff z.B. an einen Bio-Pesto-Produzenten. Er ist gezwungen, aus den teuer bio-angebauten Topfkräutern konventionelle Schnittkräuter zu machen.

Sofern er die Überproduktion rechtzeitig feststellt, kann er unter Umständen von der zweiten Ausnahme Gebrauch machen und die Kräutertöpfe als „Sämlinge oder Sätzlinge ind Behältnissen für weitere Umpflanzung“ auf den Boden umpflanzen und später dort als Bio-Schnittkräuter ernten. Dies ist allerdings mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.

Keine deutschen Bio-Schnittkräuter im Winter?

Grundsätzlich mag man dem Idealbild des Bodenanbaus ja einiges abgewinnen. Ein konkurrenzfähiger Schnittkräuterbetrieb ist so jedoch in Deutschland aus klimatischen Gründen im Winterhalbjahr praktisch ausgeschlossen, denn dafür muss nicht nur das Gewächshaus, sondern auch der Boden beheizt werden, was mit enormen Energiekosten verbunden ist. Ein derartiger Anbei wäre daher allenfalls mit Abwärme denkbar.

Beratungsangebot

Haben Sie Beratungsbedarf im Lebensmittelrecht oder bei der Lebensmittelkennzeichnung? Eine Beratung im Vorwege kann spätere Kosten und Ärger sparen, ausführlicher hier.

Sie erreichen mich per E-Mail wenck@rechtsanwalt-wenck.de und telefonisch mobil (bevorzugt) unter 015156068110 oder Festnetz: 04179 7509820.

Einen wirklich schrägen Fall hat ein Mandant an mich herangetragen, der Geschäftskunde bei der Deutschen Post ist. Er lässt Pakete von der Deutschen Post abholen. Diesen Service stellt die Post selbstverständlich in Rechnung.

Das Problem

Nun geschah es aber eines Tages, dass der Mitarbeiter der Post sich weigerte, die Pakete mitzunehmen, da er keinen Platz im Fahrzeug habe. Die Pakete wurden also nicht abgeholt – intern dürften die Prozesse da vielleicht noch optimierungsbedürftig sein, wenn ein volles Fahrzeug trotzdem zur Abholung fährt…

Ärgerlich aber kann ja mal vorkommen. Überrascht war der Mandant allerdings, als ihm die Abholung dennoch in Rechnung gestellt wurde. Die Große Überraschung war jedoch die Reaktion der Abrechnungsabteilung der Post auf den Einwand, es habe ja keine Abholung stattgefunden:

Die Reaktion der Deutschen Post

Bitte beachten Sie:  Berechnet werden lediglich die Abholbeauftragungen; nicht deren (erfolgreiche oder nicht erfolgreiche) Durchführung!

Wir bitten um Verständnis, dass zu diesen Fällen eine Erstattung unsererseits ausgeschlossen ist.

Servicethemen wie nicht erfolgte Abholung reklamieren Sie bitte stets und ausschließlich beim DHL-Geschäftskundenservice – Danke!

Offenkundig ist jedenfalls die Abrechnungsabteilung der Meinung, dass es völlig egal sei, ob eine Leistung erbracht wird und dass man als Geschäftskunde der deutschen Post schon für das Privileg der Auftragsannahme bezahlen müsse.

Zum Glück musste ich in diesem reichlich absurden Fall nicht weiter anwaltlich aktiv werden, denn auf eine scharf formulierte E-Mail des Mandanten hin wurde die Rechnung – freilich ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ korrigiert.

Einzelfall oder Geschäftspolitik?

Zurück bleibt eine gewisse Irritation über dieses Geschäftsgebaren, dass man eigentlich eher bei einer Abofalle erwarten würde.

Handelt es sich um einen Einzelfall oder ist dies tatsächlich Unternehmenslinie? Eigene Erfahrungen gerne als Kommentar.

Die Pressestelle der Post hat auf meine Anfrage reagiert. Falls sich die Post in Zukunft nicht entsprechend verhält, bitte ich um einen Kommentar.

Update: Stellungnahme der Post

Am 15.02.2021 hat die Pressestelle der Post auf meine Anfrage Stellung genommen. Demnach bezahlt man für die Abholung und nicht für den Auftrag und will die Kommunikation entsprechend anpassen.

Sehr geehrter Herr Wenck,

danke für Ihre Anfrage. Leider gehen aus Ihrer Nachricht keine detaillierteren Informationen zum Kunden bzw. zu den Sendungsnummern der betroffenen Pakete hervor, sodass wir Ihnen nur eine allgemeine Antwort geben können:

Grundsätzlich ist es so, dass die Abholung von Paketen für Geschäftskunden im Paketpreis inbegriffen ist. Nur Einzelabholungen von Paket- und Retourensendungen außerhalb der vertraglich vereinbarten Abholstellen sind kostenpflichtig.

Geschäftskunden können solche Einzelabholungen an einer Wunschadresse deutschlandweit veranlassen, sodass die Sendungen von unseren Zustellerinnen und Zustellern während der Zustelltour abgeholt werden. Falls der Abholversuch wegen eines Fehlers auf Kundenseite nicht erfolgreich war, z.B. weil die Sendung nicht versandfertig war, werden dem Auftraggeber die Kosten für den erfolgten Abholversuch in Rechnung gestellt. Falls der Abholversuch aufgrund eines Fehlers von DHL nicht erfolgreich war, z.B. weil kein Platz im Fahrzeug vorhanden war, dann wird die Abholung noch am selben Tag durch einen anderen Fahrer durchgeführt.

In jedem Fall wird also die Leistung berechnet – und nicht die Beauftragung. Wir werden unsere Formulierung dahingehend noch einmal überprüfen, damit es zu keinen Missverständnissen kommt. An dieser Stelle schon einmal danke für Ihren Hinweis.

Für eine präzisere Überprüfung des von Ihnen erwähnten Einzelfalls benötigen wir, wie eingangs bereits erwähnt, die Sendungsnummer(n) des Pakets/der Pakete, die im Fall des Geschäftskunden abgeholt werden sollten.