Detox-Tee Entwicklung nach dem BGH-Beschluss I ZR 71/16

Mit dem Beschluss I ZR 71/16 v. 29.03.2017 (Volltext unten) un dem Beschluss I ZR 167/16 v. 06.12.2017 hat der BGH entschieden, dass es sich bei dem Begriff „Detox“ in Verbindung mit einem Kräutertee um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der VO  (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO Health Claims Verordnung) handelt.

Damit ist es faktisch nicht mehr erlaubt mit dem Begriff zu werben oder ein Produkt damit zu bezeichnen. Die Wortbedeutung ist so eindeutig, dass der durchschnittliche Verbraucher eine entgiftende Wirkung mit dem Produkt oder dem Inhaltsstoff assoziiert. Einen entsprechenden Health Claim, der die Verwendung erlauben würde, gibt es jedenfalls derzeit nicht und wird es wohl auch in absehbarer Zeit nicht geben.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Werbung mit ähnlichen Aussagen, wie z.B. Entgiftung, entgiften, Entschlackung, entschlacken, ausleiten, den Körper innerlich reinigen, etc.

Obwohl der Beschluss nun schon knapp ein Jahr alt ist, gibt es neben unverhohlener gesundheitsbezogener Werbung durch kleinere Onlinehändler auch noch immer entsprechende Tees namhafter Unternehmen.

Allerdings ist eine Entwicklung deutlich erkennbar. So hat z.B. Meßmer das Produkt „Detox Brennessel-Grüner Tee“ kürzlich in „Wohlfühltee detox your feelings Brennessel-Grüner Tee“ umbenannt. Auch bei anderen Tees namhafter Hersteller versucht man mehr in Richtung eines allgemeinen, eher allgemeinen Wohlbefindens zu formulieren.

Der Grat bleibt allerdings sehr schmal, denn ob z.B. „wohltuend“ eine gesundheitsbezogene Angabe ist, bleibt weiterhin umstritten und selbst eine Bezugnahme auf das seelische Gleichgewicht kann unter Umständen einen Gesundheitsbezug haben. Insofern könnte auch „detox your feelings“ eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe sein, da suggeriert wird, die eigenen Gefühle und damit die menschliche Psyche könnten oder sollten mit dem Tee entgiftet werden.

 

Gerade die Kennzeichnung von Tees ist nicht ganz einfach und nicht nur im Bezug auf Health Claims-Fragen gibt es etliche Fallstricke. Für diese Produktgruppe gilt in besonderem Maße, dass man die Lebensmiteletiketten in Zusammenarbeit mit einem lebensmittelrechtlich versierten Rechtsanwalt erstellen sollte. Nur so kann man Abmahnrisiken erkennen und gegebenenfalls vermeiden. Wegen der sich ständig entwickelnden Rechtsprechung sollte die Kennzeichnung außerdem fortlaufend überwacht werden.

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 71/16
vom
29. März 2017
in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. März 2017 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen
beschlossen:

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt,
ihre zugelassene Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 10. März 2016 gemäß
§ 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

Tz. 1
I. Die Beklagte vertreibt in Deutschland eine Vielzahl verschiedener
Tees. Seit Juli 2013 bietet sie ein natürliches Kräuterteeprodukt ohne Zusatzstoffe
unter der Bezeichnung „Detox“ an, das Brennnessel und grünen Tee zu
je 20% enthält.

Tz. 2
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, hält die Produktbezeichnung
„Detox“ für eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der
Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben
über Lebensmittel. Zudem verstoße die Werbung der Beklagten gegen
das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB und des § 5 UWG.
Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Bezeichnung „Detox“ im
Sinne einer entgiftenden Wirkung des Tees auf den menschlichen Körper. Mit
seiner Klage begehrt der Kläger ein Verbot der Verwendung der Produktbezeichnung

„Detox“ sowie die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 178,50 €.

Tz. 3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG Celle,
GRUR-RR 2016, 302). Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt,
der Produktname „Detox“ suggeriere, dass der Verzehr des Tees eine
entgiftende Wirkung habe und damit zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands
führe. Bei der Bezeichnung „Detox“ handele es sich um eine nach
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verbotene gesundheitsbezogene
Angabe. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Fortbildung
des Rechts sei die Revision im Hinblick auf die Frage zuzulassen, ob gesundheitsbezogene
Angaben nach Art. 10, 13 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 nur substanzbezogen, also nur zu dem jeweiligen Nährstoff, der
Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürften, für die sie nach der
Gemeinschaftsliste zugelassen seien, nicht dagegen zu dem Lebensmittelprodukt,
das diese Elemente enthalte, ohne dabei den der zugelassenen Aussage
zugrundeliegenden Zusammenhang mit dem Nährstoff, der Substanz oder dem
Lebensmittel herauszustellen.

Tz. 4
II. Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO
zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor (dazu II 1). Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (dazu II 2).

Tz. 5
1. Die vom Berufungsgericht angenommenen Gründe für die Zulassung
der Revision liegen nicht mehr vor. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf
die Rechtsfrage zugelassen, ob gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10,
13 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene
Angaben über Lebensmittel nur substanzbezogen, also nur zu dem jewei-
ligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürfen,
für die sie nach der Gemeinschaftsliste zugelassen sind, nicht dagegen zu dem
Lebensmittelprodukt, das diese Elemente enthält, ohne den der zugelassenen
Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit der Substanz, dem Nährstoff
oder dem Lebensmittel herauszustellen. Der Senat hat diese Rechtsfrage nach
der Verkündung des Berufungsurteils im Urteil vom 7. April 2016 (I ZR 81/15,
GRUR 2016, 1200 Rn. 35 f. und 40 = WRP 2016, 1359 – Repair-Kapseln) in
dem vom Berufungsgericht für richtig erachteten Sinne beantwortet.

Tz. 6
2. Die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Tz. 7
a) Auf der Grundlage der Sichtweise des Senats im Urteil „RepairKapseln“
ist das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision mit Recht
davon ausgegangen, gesundheitsbezogene Angaben dürften nicht produktbezogen,
sondern nur stoffbezogen erfolgen.

Tz. 8
b) Soweit die Revision geltend macht, der Verbraucher werde die Gesundheitswirkung
entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung
allenfalls den auf der Produktverpackung genannten Bestandteilen
Brennnessel und grüner Tee zuordnen, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger
Weise ihr eigenes Verständnis an die Stelle des Verständnisses des
Tatrichters. Dieser hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Kräuterteemischung
der Beklagten nach der Verpackung des Produkts zu jeweils 20% aus
Brennnesseln und aus grünem Tee und im Übrigen aus sonstigen Inhaltsstoffen
besteht. Der Umstand, dass das Produkt der Beklagten auf der Oberseite der
Verpackung unterhalb des Namens „Detox“ mit „Brennnessel – Grüner Tee“
bezeichnet ist, ist insoweit unerheblich. Er ändert nichts daran, dass der Bezug
der gesundheitsbezogenen Angabe nicht zu konkreten Inhaltsstoffen, sondern
zum Gesamtprodukt hergestellt wird.
Tz. 9
c) Der von der Revision angegriffenen Beurteilung des Berufungsgerichts,
bei der Produktbezeichnung „Detox“ handele es sich um eine gesundheitsbezogene
Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006, sind mittlerweile das Oberlandesgericht Düsseldorf (MD 2016,
614 juris Rn. 18 bis 29) und das Oberlandesgericht Bamberg (MD 2016, 948
juris Rn. 79 bis 88) beigetreten. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung
mit der Senatsrechtsprechung (BGH, GRUR 2016, 1200 Rn. 19 – RepairKapseln,
mwN) davon ausgegangen, dass der Begriff „gesundheitsbezogene
Angabe“ jeden Zusammenhang erfasst, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands
dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Beurteilung
der dafür maßgeblichen Verkehrsauffassung obliegt im Wesentlichen dem
Tatrichter und ist im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser
den Tatsachenstoff fehlerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung frei von Widersprüchen
mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (BGH,
GRUR 2016, 1200 Rn. 33 – Repair-Kapseln, mwN). Die von der Revision gegen
die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung gerichteten Rügen erweisen
sich nach diesem Maßstab als nicht begründet.

Tz. 10
aa) Das Berufungsgericht hat es als maßgeblich angesehen, dass es
sich bei „De“ um eine häufig verwendete Vorsilbe handelt, mit der der Bedeutungsgehalt
einer Verringerung oder Herabsetzung verbunden wird. Es hat damit
die Gesamtwirkung der aus den Silben „De“ und „tox“ gebildeten Bezeichnung
„Detox“ in den Blick genommen und daher keine zergliedernde Wertung
oder Analyse vorgenommen. Nicht erfahrungswidrig ist auch die Annahme des
Berufungsgerichts, der Name „Detox“ sei auf den ersten Blick für einen Kräutertee
wegen seiner Künstlichkeit ungewöhnlich und veranlasse den durchschnittlichen
Verbraucher dazu, ihn genauer zu betrachten und seine Bedeutung zu
hinterfragen.
Tz. 11
bb) Das Berufungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt und näher begründet,
dass die mögliche Verbindung des Begriffs „Detox“ mit einem „Wellness-Trend“
nicht aus dem Begriffsverständnis im Sinne einer Entschlackung
oder Entgiftung herausführt und das Verständnis des Verbrauchers nicht auf ein
modisches Lifestyle-Produkt verengt ist. Soweit es in diesem Zusammenhang
angenommen hat, auch diejenigen Verbraucher, die mit dem Begriff „Detox“
einen „Wellness-Trend“ assoziierten, stellten eine Verbindung mit einer entschlackenden
oder entgiftenden Wirkung her, ist es nicht von einer gespaltenen
Verkehrsauffassung ausgegangen. Im Hinblick auf die Annahme einer solchen
Wirkung kann die Bezeichnung „Detox“ – anders als die Revision meint – nicht
als „wolkiges Lifestyle-Wort“ angesehen werden, das nicht über eine allgemeine
werbliche Anpreisung hinausgeht.

Tz. 12
cc) Der Umstand, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung die
Ergebnisse einer „Google“-Recherche verwendet und ausgewertet hat, ist nicht
zu beanstanden, weil sich im Streitfall daraus Rückschlüsse auf das maßgebliche
Verkehrsverständnis herleiten ließen. Dass die Treffer keinen Tee, sondern
Kuren oder Diäten betrafen, war wegen des jeweils gegebenen Zusammenhangs
zwischen dem Begriff „Detox“ und einer Entgiftung unerheblich.

Tz. 13
dd) Das Berufungsgericht hat seine Sachkunde hinreichend dargelegt.
Danach konnte es die maßgebliche Verkehrsauffassung auch ohne Einholung
einer Verkehrsbefragung ermitteln.

Tz. 14
d) Das Berufungsgericht hat im Übrigen – auch insoweit in Übereinstimmung
mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf (MD 2016, 641 juris Rn. 31 bis 36)
und dem Oberlandesgericht Bamberg (MD 2016, 948 Rn. 91 bis 94) – ohne
Rechtsfehler angenommen, dass die Produktbezeichnung „Detox“ für den von
der Beklagten vertriebenen Tee nicht nur einen Verweis auf allgemeine, nicht
spezifische Vorteile für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene
Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 enthielt, sondern eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe
im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung darstellte.

Tz. 15
Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nicht spezifischen gesundheitsbezogenen
Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer
Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem
Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen
Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl.
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 1924/2006) in einem Zulassungsverfahren
nach Art. 13 Abs. 3 dieser Verordnung (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 der
Verordnung) oder nach Art. 15 bis 17 der Verordnung (für Angaben nach Art. 14
Abs. 1 der Verordnung) überprüft werden kann (BGH, GRUR 2016, 1200
Rn. 24 – Repair-Kapseln, mwN). Die Angabe „(zur) Entgiftung“ enthält – nicht
anders als etwa auch die Aussagen „Zur unterstützenden Vorbeugung gegen
Wassereinlagerungen“ (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – I ZR 5/12,
GRUR 2013, 958 Rn. 13 = WRP 2013, 1179 – Vitalpilze) und „Zur Unterstützung
der Konzentrationsfähigkeit“ (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015
– I ZR 222/13, GRUR 2016, 412 Rn. 26 = WRP 2016, 471 – Lernstark) – eine
Aussage über spezielle physiologische Wirkungen, die als solche messbar und
damit hinreichend spezifisch und wissenschaftlich nachweisbar ist. Dem steht
nicht entgegen, dass Essen und Trinken generell stets ernährungsphysiologische
Vorgänge auslösen und dass schon das Trinken größerer Mengen Wasser
oder Kräutertee an sich entschlackend oder entwässernd wirkt. Dieser Umstand
ändert nichts daran, dass dem streitgegenständlichen Produkt mit der
Bezeichnung „Detox“ aus der Sicht der angesprochenen Konsumenten eine
ganz spezielle Wirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben wird.
Tz. 16
III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen
ab Zustellung dieses Beschlusses.

Tz. 17
IV. Streitwert der Revision: 50.000 €.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom
13. Juni 2017 erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 04.06.2015 – 11 O 30/14 –
OLG Celle, Entscheidung vom 10.03.2016 – 13 U 77/15 –

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