Als Rechtsanwalt ist man häufig in den Fällen tätig, in denen etwas schief gelaufen ist. Häufig fühlen sich beide Seiten im Recht, dann geht ein Fall auch mal vor Gericht, wo man zwar nicht immer Gerechtigkeit aber wenigstens ein Urteil bekommt.

Und dann gibt es die Fälle, bei denen die Gegenseite nicht ganz auf dem Boden des Rechtsstaates steht. Das muss mit dem jeweiligen Fall nicht zwingend etwas zu tun haben, man merkt es vielmehr am Verhalten der Gegenseite.

Online-Nötigungsversuche

Erst kürzlich habe ich eine Drohung bekommen, wenn ich mein Verhalten nicht ändern würde, würde man mich im Internet schlecht machen. Anbei ein Screenshot einer Bewertung auf Google, in der mir neben der obligatorischen 1-Sterne-Bewertung vorgeworfen wird, ich hätte mein 1. und 2. Staatsexamen nicht selbst geschrieben. Wenn ich nicht aufhören würde, würden weitere Bewertungen folgen. Google hat offensichtlich einen Filter, denn die Bewertung wurde nicht veröffentlicht.

Nun ist allen Juristen bekannt, dass das zweite Staatsexamen ein Präsenzklausurexamen mit Ausweiskontrolle ist und das Erste zu einem ganz überwiegenden Teil auch und der Vorwurf damit natürlich frei erfunden ist. Nicht alle Internetnutzer sind aber Juristen…

Zum Glück sind derartige Vorkommnisse nicht die Regel, denn auch der Gegenpartei ist meistens klar, dass ein Rechtsanwalt nur sehr selten auf eine derartige Nötigung eingehen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Strafanzeige erstatten wird. Außerdem macht der Anwalt „nur seinen Job“ und wird daher auf der Gegenseite zwar als „Teil“ seines Mandanten, aber nicht unbedingt als Person wahrgenommen. Meist sind derartige Akteure daher dubiose Onlineunternehmen, die sich anonym und in Sicherheit wähnen und bei denen Nötigungen und Verleumdungen zum guten Ton unter Geschäftspartnern und Wettbewerbern gehören.

Offline Nötigungsversuche

Ich persönlich bin beruflich außerhalb des Internets noch keinen Nötigungsversuchen ausgesetzt gewesen. Es gibt aber durchaus Kollegen, die von Gewaltandrohungen oder sogar tätlichen Angriffen betroffen sind. Diese Kollegen sind allerdings in aller Regel in gefahrgeneigteren Rechtsgebieten unterwegs. Das sind natürlich Strafrechtler, da die Hemmschwelle im kriminellen Milieu in dem sie zwangsweise auch arbeiten mit Sicherheit niedriger ist. Es betrifft aber auch sehr emotional aufgeladene Konflikte, z.B. im Familienrecht oder bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. Trotzdem sind derartige Vorfälle nach meiner Einschätzung selten – betroffene Kollegen mögen sich gerne dazu äußern.

Strafrechtliche Verfolgung

Wird der Anwalt als Anwalt genötigt oder sonst strafrechtlich relevant angegriffen, ist dies ein direkter Angriff auf den Rechtsstaat. Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege und in ihrer Rolle als Parteivertreter wichtig um jedem Bürger im Rahmen unseres Rechtssystems sicherzustellen und Chancengleichheit gegenüber dem Staat und geschäftlich und/oder juristisch versierteren Gegnern zu ermöglichen.

Daher sollte jeder Kollege entsprechende Vorfälle zur Anzeige bringen, auch wenn es einen unbezahlten Arbeitsaufwand bedeutet.

Auch bei Antragsdelikten, wie Beleidigungen oder Verleumdungen besteht eine gute Chance, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht einfach einstellt und auf den Privatklageweg verweist, denn dadurch, dass der Rechtsanwalt in seiner Funktion als elementaler Teil des Rechtsstaates angegriffen wird, besteht fast immer ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung derartiger Vorfälle.